Durch mehr Bewegung zu mehr Gesundheit und besseren Schulnoten
In Deutschland sind rund 15% aller 2- bis 17-Jährigen übergewichtig, davon gelten ca. 6% als adipös. Dabei zeichnet sich die gleiche Entwicklung ab wie bei den Erwachsenen (hier sind allerdings bereits 67% der Männer und 53% der Frauen übergewichtig oder adipös):
Die Zahl der übergewichtigen Kinder stagniert insgesamt gesehen auf hohem Niveau, aber bereits zu dicke Kinder legen immer mehr an Gewicht zu. Die Hauptursachen sind mangelnde Bewegung und falsche, einseitige Ernährung mit einem hohen Anteil an kaloriendichtem Fast Food, Fertiggerichten, Softgetränken und Süßigkeiten.
Die Folgen dieser Entwicklung sind ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus Typ 2 (etwa 200 Jugendliche erkranken in Deutschland jährlich neu), Bluthochdruck, Hormonstörungen und andere Erkrankungen, die üblicherweise erst im Alter auftreten. Zudem kommt es zu Überlastungserscheinungen des Stützapparates. Ca. 60% der übergewichtigen Kinder haben Haltungsschäden mit Folgen wie Rückenschmerzen oder vorzeitigem Gelenkverschleiß. Je früher die Fettsucht eintritt, desto schwerwiegender sind die späteren Folgen. Übergewicht kann jedoch nicht nur physische, sondern auch psychische Probleme verursachen, unter anderem durch Mobbing und Ausgrenzung in Schule und Kindergarten.
Die Ursachen für Übergewicht
Übergewicht und Adipositas haben multikausale Ursachen, d.h. es kommen viele Faktoren zusammen, die zum Dickwerden beitragen. Zum einen kann Übergewicht anlagebedingt sein, zum anderen hat sich über die letzten Jahrzehnte unsere Lebens- und Ernährungsweise signifikant verändert. Bewegungsmangel und mangelnde motorische Leistungsfähigkeit lassen sich bereits bei vielen Kindern feststellen. Mit ursächlich ist die Veränderung in der Freizeitgestaltung. Spielten noch vor 20 Jahren die meisten Kinder im Freien, verbringen die Kids heute ihre Freizeit in Innenräumen. Derzeit verfügt fast jedes zweite Kind unter dreizehn Jahren über einen eigenen Fernseher. Die meisten Kinder in den Industrienationen verbringen mehr Zeit vor dem Fernsehgerät als in der Schule. Jede Stunde vor dem Fernseher wirkt sich - einer kanadischen Studie zufolge - bei Kleinkindern langfristig auf Körperumfang und Sportlichkeit aus. Hinzu kommt, dass Kinder, die viel Zeit vor dem Fernseher verbringen, sich eher ungesund ernähren, als ihre Altersgenossen mit einer bewegungsintensiveren Freizeitgestaltung. Kinderärzte empfehlen 60 Minuten moderate bis intensive Bewegung pro Tag. Die Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) des Robert Koch Instituts belegt, dass nur bei 15% der Kinder und Jugendlichen im Alter von vier bis 17 Jahren das Bewegungsverhalten dieser Empfehlung entspricht. 1)
Ein weiterer Faktor ist unsere unausgewogene Ernährung. In den Industrienationen gibt es keine Nahrungsknappheit mehr. Im Gegenteil, wir leben im Überfluss und stetiger Verfügbarkeit aller Lebensmittel. Wir treffen in unseren Supermärkten ein wahres Schlaraffenland an. Zudem wurden in den letzten Jahren viele Nahrungsprodukte speziell für Kinder kreiert, die alles andere als gesund sind und viel zu viel Zucker enthalten. Wichtig ist, bereits bei Kleinkindern den Grundstein für eine gesunde und ausgewogene Ernährung zu legen, damit sich falsche Ernährungsgewohnheiten erst gar nicht einschleichen und etablieren können.
Die Problematik Übergewicht wird zudem von vielen Betroffenen nicht wahrgenommen bzw. verniedlicht. Durch eine Studie der Universität Leipzig zur Teilnahme von Familien an einem Präventionsprogramm gegen Fettleibigkeit bei Kindern, wird aufgezeigt, dass Eltern übergewichtiger Kinder häufig das Problembewusstsein fehlt. Da werden Aussagen getroffen wie: „Mein Kind ist doch nicht dick“ oder „Das ist doch nur Babyspeck“. Die Studie ist ein Kooperationsprojekt des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums (IFB) Adipositaserkrankungen, des Kinderärztenetzwerks CrescNet und der Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Leipzig und zeigt auf, dass Präventionsprogramme häufig zu spät angenommen werden. Dabei nehmen Familien mit betroffenen Töchtern eher rechtzeitig am Programm teil, als mit Söhnen.2)
Übergewicht ist epigenetisch vererbbar
„Übergewicht bei Kindern, welches bereits die Grundlage für das spätere Metabolische Syndrom legt, ist derzeit und in Zukunft eines der Hauptthemen unter den Medizinern. Dabei kommen beim Übergewicht zudem epigenetische Faktoren ins Spiel, was die Sache noch brisanter macht im Hinblick auf spätere Generationen“, so lautete die Botschaft von Prof. Dr. med. Gerhard Uhlenbruck im Rahmen einer Podiumsdiskussion im Oktober 2010 in Basel. Was bedeutet, dass Übergewicht über die Zelleigenschaften auf Tochterzellen, und somit auf die nachfolgenden Generationen, vererbt wird. Umso wichtiger ist es, dass insbesondere Paare mit Kinderwunsch sich regelmäßig sportlich betätigen und auf eine ausgewogene Ernährung achten. Bei bereits bestehendem Übergewicht kann eine kompetente Beratung und Betreuung für ein gesundes Abnehmen in Anspruch genommen werden, wenn es die eigene Zeit nicht zulässt, selbst ein Programm auszuarbeiten.
Bewegungsmangel beeinträchtigt die motorische Entwicklung
Das Zentrum für Gesundheit verglich in einer Studie die motorische Leistungsfähigkeit von Kindergartenkindern im Jahr 1998 mit denen von 2006. Dabei wurden deutliche Rückgänge in allen Parametern der jüngeren Generation, die 2006 getestet wurde, gegenüber den Kindern von 1998 festgestellt. Die Studie belegt, dass sich eine Leistungsminderung in immer früheren Altersgruppen abzeichnet.3)
Am Robert-Koch-Institut in Berlin wurde von 2003 bis 2006 mit ca. 18.000 beteiligten Kindern und Jugendlichen ein bundesweiter Gesundheitssurveys (www.kiggs.de) durchgeführt. Teil dieser Untersuchung ist ein Motorik-Modul (MoMo) unter der Leitung von Prof. Dr. Klaus Bös, Leiter des Instituts für Sport und Sportwissenschaften an der Universität Karlsruhe. Danach erreichten 43 % der Kinder und Jugendlichen bei der Rumpfbeuge nicht das Fußsohlenniveau und 86 % konnten nicht eine Minute einbeinig auf einer T-Schiene balancieren, ohne den Boden zu berühren.4)
Mit Bewegungsprogrammen Übergewicht gegensteuern
Kinder haben einen angeborenen Bewegungsdrang. Dazu dass sie sich heute im Alltag zu wenig bewegen, trägt auch unsere eigene Bequemlichkeit bei. Kinder werden häufig zu ihren Freizeitaktivitäten oder zu Freunden mit dem Auto gefahren. Bereits Kleinkinder verbringen zu viel Zeit vor dem Fernseher, dabei hat Fernsehen, im Gegensatz zu freiem Spielen, für die Jüngsten keinen Lerneffekt. Hinzu kommen die vielen Stunden, die in der Schule und anschließend mit Hausaufgaben sitzend zugebracht werden. Und anschließend warten Computerspiele, Playstation oder Internet. Man spricht bereits von einer zunehmenden „Verinselung“. Es gibt Kinder, die - außer für den Schulunterricht - kaum noch die Wohnung verlassen.
Hier können Eltern durch eigene regelmäßige sportliche Aktivitäten Vorbild sein. Insbesondere im Urlaub oder bei den gemeinsamen Freizeitaktivitäten sollten Radfahren, Schwimmen, Wandern, Klettern oder sonstige Sportangebote auf dem Programm stehen, wobei natürlich der Spaß an der Bewegung an erster Stelle kommt und nicht der Leistungsgedanke.
Bei Kindern ist es leichter Übergewicht anzugehen, als bei Erwachsenen, da sie regelrecht „herauswachsen“, wenn die Bedingungen stimmen, durch Erhöhung des Grundumsatzes und die Umstellung der Ernährung. Das heißt, im Regelfall muss bei Kindern und Jugendlichen das Gewicht nur gehalten werden, ein tatsächliches Abnehmen ist nicht unbedingt erforderlich, da sie durch die Wachstumsphase auf natürliche Weise zu ihrem Normalgewicht zurückfinden, wenn keine weiteren Pfunde hinzukommen.
Auch die positiven Eigenschaften des Krafttrainings zur Gewichtsreduktion, zur Verbesserung der Haltung und zur Erhöhung der Knochendichte, können bereits bei Kindern und nicht erst bei Jugendlichen genutzt werden. Neue wissenschaftliche Untersuchungen revidieren die alten Lehrmeinungen zum Krafttraining im Kindesalter. Wichtig ist, dass das Training alters- und fachgerecht unter kompetenter Anleitung durchgeführt wird, dann kann es gezielt auch bei Kindern eingesetzt werden.
Bewegung macht schlau
Eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen belegen, dass Bewegung das geistige Potential von Kindern fördert. Komplexe Bewegungsabläufe verbessern den Informationsfluss im Gehirn und erhöhen die Konzentrationsfähigkeit. Neuer Lernstoff kann leichter und schneller verarbeitet werden. Bewegung fördert unter anderem eine bessere Durchblutung des Gehirns - was zu einer verbesserten Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen führt - spricht spezielle Gehirnzentren an, trägt zur strukturellen Veränderung des Gehirns und zur Neubildung von Nervenzellen bei. Außerdem unterstützt Bewegung das Gehirn dabei, neue Verknüpfungen zu bilden, über die unsere Denkprozesse ablaufen. Dies umso mehr, je komplexer die Bewegungsabläufe sind. Dadurch steigt die Konzentrations- und Lernfähigkeit. Mit einem regelmäßigen Fitnessprogramm lassen sich somit auch die Schulnoten verbessern. Und ein weiterer positiver Effekt von Fitnessprogrammen ist, dass Bewegung Stresshormone abbaut und Glückshormone ausschüttet. Und das ist gerade für Kinder und Jugendliche nach einem langen Schultag wichtig.
Studien belegen zudem, dass bei sogenannten „Bewegten Schulen“ die Einstellung der Schüler/innen zur Schule positiver und die Leistungsbereitschaft höher ist. Festgestellt wurde ferner, dass Informationen nicht nur über die Sinne, sondern auch über Bewegung wahrgenommen werden. Insbesondere im frühen Kindesalter funktioniert Lernen über Bewegung. Zudem sind Kinder und Jugendliche, die regelmäßig Sport und Fitness treiben selbstbewusster und weisen eine bessere soziale Kompetenz auf.5)
Fazit
Eltern und Großeltern sollten den Bewegungsdrang von Kleinkindern unterstützen und ältere Kinder motivieren, die Freude an der Bewegung wieder zu entdecken. Durch ausreichend sportliche Aktivitäten werden nicht nur Übergewicht, Adipositas und deren negative Folgeerscheinungen verhindert, beim Sport werden vom Körper auch Endorphine – sogenannte Glückshormone – ausgestoßen, die uns das Leben leichter machen. Zudem stärkt eine bessere Fitness unser Immunsystem und beugt somit vielen Krankheiten vor, die erst gar keine Chance bekommen. Das gilt übrigens gleichermaßen für Erwachsene. Der präventive Nutzen von körperlicher Bewegung wird auch von einer Reihe von Ärzten vertreten, wie die Initiative „Exercise is Medicine“ (Bewegung ist Medizin) zeigt.
Quellenangabe:
1) KIGGS Kinder und Jugend Gesundheitssurvey; www.kiggs.de
2) Studie: "Mein Kind ist doch nicht dick"
3) Prof. Dr. Ingo Froböse, Dipl. Sportwiss. Pascal Wunderlich; www.ingo-froboese.de
4) www.sport.uni-karlsruhe.de
5) Bewegte Schüler - Bewegte Köpfe; www.bag-haltungundbewegung.de
Bildquelle: © panthermedia.net / Petro Feketa